Das Pfandler - "*VIRCHE und LINKS"

Das Pfandler - "*VIRCHE und LINKS"

Von Stephan Waltl.

*VIRCHE: Tirolerisch für "nach vorne"

Jeder Golfer baut vermutlich im Laufe seines Lebens so eine Art Löffel-Liste auf. Eine Löffel-Liste beinhaltet jene Dinge, die man noch erledigen möchte, bevor man den Löffel abgibt. Aufs Golf bezogen: eine Liste auf der genau jene Golfplätze stehen, die man unbedingt noch spielen möchte, eben bevor man ins kurz gemähte Grün beisst. Auf dieser Liste stehen dann meistens so Plätze wie Old Head, Augusta, Royal Dornoch oder Valderrama.
Auf meiner golferischen Löffel-Liste stand bis vor Kurzem auch der Golfclub Achensee. Jetzt nicht mehr, denn ich hatte das große Vergnügen am Achensee zu spielen und die Betonung liegt eindeutig auf Vergnügen!
 
Aber fangen wir die Geschichte am besten von vorne an:
Wenn wir als gelernte Österreich-Kenner an Tirol denken, dann denken wir an hohe Berge, enge Schluchten, ewiges Eis und die Mautstelle am Brenner. Eher weniger kommt uns der Gedanke an einen See. Für „See“ sind in Österreich eher Kärnten oder das Salzkammergut zuständig. Der Achensee ist daher für Tirol etwas ausgesprochen Atypisches. Aber es wäre nicht Tirol, wenn man auch etwas Atypisches zu etwas Besonderem machen könnte.

Aus Deutschland kommend, könnte man zwar auch über Kufstein und die Inntal-Autobahn zum Achensee rauffahren, aber wenn man - wie ich diesmal - etwas Zeit hat, dann empfiehlt es sich die Autobahn zu meiden und über den Tegernsee oder Bad Tölz und den kleinen Grenzübergang in Achenwald anzureisen. Vom Grenzübergang nach Pertisau sind es ca. 27 km bestens ausgebaute Strasse. Auf der Fahrt entlang des Ostufers bekommt man die ganze Pracht des 8 km langen Achensees zu Gesicht. Pertisau mit seinen 600 Einwohnern ist übrigens der einzige Ort am Westufer des Sees und das Ziel meiner Golfreise. Es muss auch das Ziel sein, denn an dieser Stelle des Tales gibt es keine Weiterfahrt mehr - hier kann man das Auto nur noch wenden, was übrigens unsympathischen Durchzugsverkehr auf natürlichem Wege verhindert!
 
Wer aber jetzt glaubt, dass Pertisau ein verschlafenes Nest wäre, der irrt gewaltig!
Schuld dafür sind - wie in Österreich sehr oft - die Habsburger. Die Wiener Monarchen nutzten die Wälder rund um Pertisau zur Jagd und den See zum Fischen. Bereits 1466 wurde unter Maximilian I. das Pertisauer Fürstenhaus in eine kaiserliche Herberge umgewandelt und diese blieb es bis ins Jahr 1918 - wo die Doppel-Monarchie aus weltpolitisch bekannten Gründen relativ abrupt endete. Wo der Kaiser sein Haupt bettet, da muss es schön sein! Also folgten den Monarchen wir gewöhnlich sterblichen Menschen, die am Achensee mit dem Schiff, mit der Eisenbahn das Tal entlang oder mit der Gondel den Berg hinauf fuhren.
 
Und im Jahre 1934 hatten dann vermutlich ein paar sehr eigenwillige Typen die Idee, in einem kleinen Pertisauer-Seitental den ersten Golfplatz Tirols zu errichten. Zu Beginn mussten auf den 6 Bahnen die Grüns noch eingezäunt werden, denn ohne diese Umzäunung hätten Kühe, Schafe und Rehe einen sauberen Putt wohl unmöglich gemacht.
Inzwischen ist am Fuße des Zwölferkopfs aber einer der spektakulärsten 18-Loch-Golfplätze der Alpen entstanden. Alter Baumbestand, natürliche Gräben und wunderschöne Wasserhindernisse umringen den hier spielenden Golfer! Und während man selbst am Abschlag steht, wird man über den Zaun von Nachbar´s Kuh beobachtet, die etwas wehmütig auf das schmackhafte Gras der Fairways herüberblickt.
 
Bei meinem Abschlag am Golfclub Achensee wurde ich von Markus Entner begleitet - seines Zeichens Jung-Hotellier im Hotel Pfandler****. Vom Pfandler zum 1. Abschlag geht man übrigens zu Fuß keine 2 Minuten - vorausgesetzt man hat nix im Hotelzimmer vergessen! So nahe am Golfplatz zu wohnen verleitet ein wenig dazu, immer wieder etwas liegen zu lassen. Aber ich schätze es sehr, einmal nicht mit dem Auto fahren zu müssen!
 
Am ersten Abschlag sieht man genau 2 Bahnen. Die 1 und die 18. Wo sich der Rest dieses Golfplatzes befindet ist zu diesem Zeitpunkt noch völlig unergründlich. Aber ich vertraue auf Markus, der sich als „lebendiges Birdiebook“ bei mir vorgestellt hat! Nach dem 1er-Grün gehts dann über die Dorfstrasse zum besonderen Teil dieses Golfplatzes: in den Wald! Wald links und Wald rechts und jede zweite Bahn ein Dogleg! Es scheint nicht zu weit zu sein und idealerweise auch noch gerade, was mir als notorischem Slicer nicht wirklich leicht fällt.
Auf meine Frage, wo denn hier die Fahne wäre (denn allzu oft sieht man am GC Achensee die Fahne vom Abschlag aus nicht), gab mir Markus den entscheidenden Hinweis: VIRCHE und LINKS!
Gesagt - getan und so schlage ich also meinen Ball nach "vorne" und hoffe darauf, dass „vorne" eine Windböe vorbeikommt und meinen Ball dann nach links ablenkt. VIRCHE und LINKS habe ich an dem Tag vom Markus noch des öfteren gehört. Aber es hat mir nix gebracht, denn entweder war ich vor dem VIRCHE schon zu weit links oder mein Ball hat sich unterwegs für rechts entschieden und so habe ich mit einer glatten 100 den Platz verlassen. Dennoch verzeichnete ich nur einen einzigen verlorenen Ball!
 
Die Chance einen Ball zu verlieren hat man vor allem auf der 16. Vom Herrenabschlag aus sieht man vorne die gelben Pflöcke des Wasserhindernisses und mein lebendiges Birdiebook Markus sagt mir dazu: "da vorne ist dann unser Grand Canyon, da solltest Du unbedingt drüber kommen!" Grand Canyon? Typisch Tiroler, denk ich mir: aus jedem kleinen Rinnsal gleich einen Grand Canyon machen. So schlage ich meinen Ball VIRCHE und er verschwindet in die Tiefe. Auf dem Weg nach VIRCHE wird dann aus dem kleinen Bächlein, dass ich vermutet habe, wirklich ein ca. 8 Meter tiefer und ebenso breiter Graben eines ausgetrocknetes Baches. Dort drunten liegt er dann mein oranger Ball, den ich im Herbstlaub so gerne spiele, weil ich ihn besser finde.

Danach gehts zur Nachbesprechung ins heimelige Clubheim: es gilt die geschossenen Birdies und Girlies/Ladies der absolvierten Runde zu feiern. Ich selbigst darf dann im Hotel Pfandler die Saunalandschaft bewellnessen und ins Hallenbad springen. Am Abend genieße ich das Essen und die Zithermusi vom Josef im Hintergrund. Danach muss/darf ich an der Bar mit ein paar Eingeborenen über das Leben an sich diskutieren und ich erfahre unter anderem, warum Tirol der schönste Platz der Welt ist!
 
Am nächsten Morgen muss Markus schon wieder mit mir raus. Diesmal aber bleibt mein Golfbag im Auto.
Dafür hole ich mir keine 200 Meter vom Hotel entfernt mein Leih-Rad und zu fünft machen wir uns auf zur
geführten Mountainbike-Tour rauf auf die Feilalm.
Der Weg geht zuerst auf Asphalt Richtung Mautstelle am Eingang der Karwendeltäler ins Gerntal. Bald nach der Abzweigung zur Pletzachalm gehts dann links über eine Schotterstrasse rauf zur Feilalm.
Links und rechts von uns gehen die Bergerücken des Karwendel nach oben. Die Sonne ist für diese Jahreszeit immer noch warm und ich spüre die Strahlen auf meinem Rücken. Voll motiviert nehmen wir noch den Zusatzanstieg rüber zum 1.562 Meter hohen Feilkopf, bevor wir dann bereits wieder auf dem Rückweg in der Feilalm zur Jause einkehren.
Der Ausblick ist grandios! Unten glänzt der Achensee in seinem einzigartigen silber-grün und man kann von hier heroben sogar eines der Ausflugsschiffe der Achenseeschiffahrt erkennen. Es geht wieder retour und Markus zeigt uns noch einen kleinen „halblegalen“ und ziemlich gatschigen Singletrail. Voll Dreck gehts dann ins Hotel zurück wo wir uns bei Sonnenschein auf der Terrasse noch ein kleines Bier genehmigen.
Markus ist Vollblut-Gastronom
und ein extrem lustiger Bursche. So wird auf der ganzen Tour viel gelacht - sofern ich nicht gerade bergauf mit meiner Kondition zu kämpfen hatte.
Markus hat diese Tour einmal mit seiner Helmkamera mitgeschnitten und mit Musik hinterlegt. Sehr sehenswert: link
 
Ich habe meine Helmkamera wie sooft daheim vegessen. Dafür konnte ich aber ein paar Bilder vom Golfplatz machen und auch eines oben auf der Feilalm. Hoffentlich kann man darauf erkennen, wie ganz besonders die Region hier am Achensee ist und wie unglaublich schön dieser Platz!
 
Ihr solltet jedenfalls den Golfplatz am Achensee auf Eure Golfplatz-Löffel-Liste setzen und mir bleibt es „Danke" zu sagen für diese ganz besonderen Tage in Pertisau, danke für das hervorragende Essen und die herzliche Gastfreundschaft.
Ich komme wieder und wenn mich wer fragt, wo es in Pertisau ein tolles ****Hotel gibt, dann antworte ich:
einfach VIRCHE fahren und bei der Talstation vom Zwölferkopf RECHTS!

Stephan Waltl

Impressionen